Tilmann Moser

Domenico Fiasella: Samson und Delila

um 1606-1616

Die Dienerin: Obwohl ich durch und durch eine stolze Philisterin bin und unter der schmählich Niederlage meines Volkes und der demütigen Besatzung leide, habe ich die Liebesbeziehung zwischen meiner Nicht und dem erbarmungslosen Schlächter unserer Soldaten geduldet, gefördert und geholfen, sie zu verheimlichen. Ich bin gut dafür bezahlt worden. Dann ist die Geschichte, nicht durch mein Verschulden, verraten worden, aufgeflogen unter großen Geschrei und Todesdrohungen gegen Geliebte – die Hetzer schimpfen sie Soldatenliebchen, und was mich mehr kränkt Siegerhure. Und jetzt habe ich Angst, ja Panik, auch der Rache anheim zu fallen, die sie an der Armen nehmen wollen. Nur deshalb habe ich mich bereitgefunden, bei der halböffentlichen Inszenierung dieser Aktion, die uns vielleicht retten kann, tatkräftig mitzuhelfen. Diese Raffinesse hätte ich meiner Nichte nicht zugetraut. Ach was war sie verrückt verliebt in diesen General unserer Feinde, ich muss sagen leichtsinnig bis in die Todesgefahr, die ich ihr zuletzt vor die Augen halten musste. Vielleicht ist sie hörig geworden, vielleicht hat der Gewissenlose sie auch erpresst, die kaum noch gehe8men treffen fortzusetzen, er hatte sie ja auch in der Hand, hätte sie verraten können, ihm wäre ja nichts geschehen. Auch er war zu blind vor Liebe oder war es nur noch Gier, um zu ahnen, dass auch sie ihn in der Hand hatte, dass er sie vor ihrem Volk in Gefahr brachte, dass sie nicht nur verrückt nach ihm war, sondern auch eine dunkle Seite hatte, letztlich fähig zu einem Verrat, wenn das Gefährliche an der Beziehung tödlich werden sollte.

Und so ist sie erpressbar geworden. Die Hetzer schrien laut genug auch nach ihrer öffentlich vollstreckten Todesstrafe, nicht ohne vorausgehende Folterung ihre Schandleibes. Das wusste Dalila,und es machte sie Schauern vor Angst. Und deshalb ließ sie sich erpressen, gab sich ihm noch mehrere Nächte, im unglaublichen Liebreiz ihrer Verzweiflung, um ihm das Geheimnis seiner Stärke abzuschmeicheln. Sechs mal hat er sie hinters Licht geführt mit falschen Geschichten, mit immer neuen Zeugnissen seiner Entfesselungskünste. Man möchte ihm fast eine ferne Ahnung zuschreiben, dass er das Geheimnis solange hütete und sie in eine Wut der Kränkung trieb, von der er nichts ahnte. So wurde sie in der Angst immer bereiter, ihre Liebhaber zu verraten und dem sicheren Tod auszuliefern. Sie hatte die immer lauter drohenden Soldaten im Nacken, die ihr nicht mehr glauben wollten, dass er ein für sie teuflisches Spiel mit ihr trieb. Sie empfing sie auch in der letzten Nacht, in der sie wohl auch ihn erpresste, sie nicht mehr zu belügen, und ich hörte die wilden Schrei der beiden Verlorenen aus der Kammer, die ich ihnen so oft bereitet und mit erfrischenden Getränken versehen hatte.

Und so erfand sie die Szene, wo die längst wieder Bekleideten sich so im Salon in Ruhe lagern sollte, wo sie durch ein leise geöffnetes Tor den Verschwörern plötzlich sichtbar werden sollte. Deshalb habe ich aber den ungeduldig Wartenden fast herrisch Schweigen geboten, weil das schwächende Werk an dem noch immer Ermatteten noch nicht vollendet war. Ich war die ertappte und bloßgestellte Mitverschwörerin und wollte doch meine Haut retten. Ich war in Panik vor dem unvermeidlichen Blutbad, weil ich annahm, dass sie ihn sofort niedermachen würden und hoffte nur, dass ich der gerade aufgeblühten Verwandten noch die Flucht ermöglichen könnte.

Dalila: Noch bin ich berauscht vom Duft seiner Haare und rieche den Geruch seines Körpers nach dem Toben der Lust. Meine Hände zittern, und ich musste voller Widerwillen und Abscheu für mich selbst noch einmal den Schoß öffnen, damit er sich wie zum erholsamen Schlaf darin bergen kann für meine Tat. Er legte sich so hingegossen weich ,mit schlaffen Armen und Beinen, vollkommen vertrauensselig und bald wie schon von der nächsten glücklichen Begegnung träumend. Er redete im Traum, aber ich habe vor Anspannung nicht lauschen können.

Ich arbeite ambulant an den Haaren des lokalen Adels, ich bin gefragt und gelte als Künstlerin auch bei sperrigem Haar. Noch immer taten meine Hände ein Liebeswerk, als ich zu schneiden begann. Aber das Blut war aus meinen Armen und Händen gewichen, die noch immer zärtlich sein wollten. Aber meine Seele war erstarrt, ich schaute ohne Gefühl auf ihn nieder. Nur dass ich verrückt war vor Gram und Angst konnte ich noch spüren. Der Rest war Erstarrung, trotz noch wie leblos funktionierender Handgriffe und Gebärden. Ohne die Dienerin neben mir wäre ich umgesunken. Ich glaube, ich war bereit, mit ihm zu sterben. Ich atmete nur noch schwach zwischen Stolz und Entehrung, und mein kommender Tod schien mir ein Fest inmitten der Schande. Ich hasste die, die mich zwangen zu dem ehrlosen Verrat. Dabei hatte ich längst keine Ehre mehr. Und trotzdem wollen sie mich als Heldin gegen den gefürchteten Feind. Wenn ich nicht so versteinert gewesen wäre beim Anblick der Soldaten im Dunkeln, hätte ich geschrien wie in nicht endendem Irrsinn.

Samson träumt: Wer streicht mir so zärtlich übers Haar. Ist mir auf einmal wieder die Mutter nah, wie in fernen Kindertagen, als ich einmal krank darnieder lag? Kann sterben so leicht sein. Die Waffen des ermatteten Knaben lagen neben dem Bett, mein kleiner Bruder will sie entwenden, ich bin zu schwach, um ihm den diebische Griff zu verwehren. Werde ich je wieder kämpfen können, wenn ich wieder gesund bin? Der Stolz der Mutter muss mich wieder zum jungen Helden machen. Ich muss wieder der Anführer der Kinderband werden. Aus einen dürren Ast werde ich mir eine neue Keule schnitzen gegen alle, die mich demütigen wollen,weil ich zu herrisch bin in meiner Kraft.