Tilmann Moser

Christian Schad: Graf St. Genois d' Anneaucourt

aus: Deutsche Kunst. Malerei und Plastik 1905-1985, Prestel, München 1986 Privatsammlung

Zickenkrieg

Zicke in Grün, der Schwarze, Zicke in Rosa

Immer laufen mir zwei nach im Club, dabei bin ich doch solide verheiratet. Scheiß Spiel! Was kann ich dafür, das ich fesch bin, was sage ich, wir sind nicht in München, elegant, gut aussehend, gepflegte Manieren, Denkerstirn, Mann in den besten Jahren, makellos angezogen, Hände lässigst in den Taschen, Fliege sitzt wie angegossen, Manschetten perfekt gebügelt und von idealer Länge, sinnierende, ja leicht melancholische Denkerstirn, fast geheimnisvoll, so wollen es die Damen ja, aus bestem Hause und im angesagtesten Club, fast geeignet für einen Edelkrimi, in dem es um Millionen geht: „Wer steckt hinter dem Tod der reichen Erbin, die tagelang im Dickicht lag? Ich bin wirklich bekümmert, obwohl es sich nur um eine entfernte Bekanntschaft handelte. Trotzdem, ich brauche ein wenig Ablenkung.“

Zicke grün: Hoffentlich ist mein Blick verächtlich genug. Die Edelschlampe, gehört abgeführt, ist nur hinter einem dicken Konto oder einem Adelstitel her. Wenn ich deren dreisten Arsch hätte, würde ich ihn gleich doppelt verhüllen. Aber die zeigt natürlich schamlos alles, was sie hat und nicht hat. Hoffentlich zeigt mein Rückenausschnitt nicht das gleiche geile Dreieck. Und ob sie vorne was zu bieten hat, bleibt ihr Geheimnis. Mit diesem Babyhintern nehme ich es noch lange auf. Aber das Hurenrosa ist dreist. Vielleicht ein Edelnutte, Callgirl, will ihr Kärtchen hier lassen. Mit der Nase muss die ja noch draufzahlen, wenn einer mit ihr gehen soll. Unsere Familie wählt deutschnational, kein Antisemitismus, nur solide Geschäftskontakte. Aber mein Vater hätte sich die Bemerkung doch nicht verkniffen: „Typisch jüdisch! Vielleicht Kriegsgewinnler. Großeltern vielleicht noch aus einen östlichen Stettl zugezogen.Feinst assimiliert.“ Und der Maler hat sie entsprechend über die Kleiderfarbe hinaus charakterisiert: geiles, wollüstiges Rankenwerk, innen wie außen. Und eine fette Warze auf der Schulter, gezeigt wie ein Hoheitszeichen.Geschminkt wie fürs Luxuspuff. Swinging twentys, wie die Presse schreibt, stolz auf Berlins Nachleben.

Schwarz: In dem Feld zwischen den beiden zittert eine bedrohliche Spannung. Warum bringe ich mich immer wieder in solche Situationen!

Rosa: Gehört die dazu, oder ist es eine wie ich? Dann könnten wir uns ja mit Küsschen begrüßen. Ein wenig wehmütig und eigentlich anschlussbedürftig schaue ich zu ihr rüber. Aber sie schaut erbarmungslos zurück. Dabei könnten wir Freundinnen sein oder werden. Wenn nicht der komische Kauz dazwischen stünde. Ich sehe Morgenrot aufscheinen, und es hat noch keiner angebissen. Die Brust aufreizend verhüllt mit dem dünnsten Schleierkleid, das es im KDW zu kaufe gab, freier Zugriff. Aber der Lackaffe schaut in die Ferne.Ob er die nachher abschleppt? In seine Villa im Grunewald, ob in seine sturmfreie Zweitwohnung, die zuhause als Geschäftsadresse gilt. Manchmal denk ich, ich durchschaue den Markt hier, aber die Stolze mit der weißen Reiherfeder verwirrt mich. Gattin, Geliebte oder Begleitdame?

Grün: Die zarte Feder zielt auf meinen Schoß. Nur meine zarte Hand liegt elegant dazwischen. Ein stilsicherer Mann würde das Zeichen erkennen. Oder hat der Angst vor dem leicht geöffneten Schoß? Wen will sein abgewandter Suchblick erkennen? Fühlt er sich beobachtet? Geht es um eine zwielichtige Verabredung. Ich habe gelesen, hier würden verdeckt Millionenkontrakte abgewickelt. Die Zärtlichkeit, die ich ihm erlaubte, fühlte sich so unpersönlich an, so flüchtig. Und gleich hatte er schon wieder die kalten Hände in den Taschen. Seltsam. Da versagt meine Menschenkenntnis. Jetzt erinnere ich mich an seinen Blick vorhin: Wie einer, der sich selbst fremd ist; der gar nicht weiß, was er sucht; der zurückschreckt vor einem angebotenen Mund. Falls er mich später mitnehmen will, wird er mir eine traurige Geschichte erzählen, da mach ich jede Wett. Aber wie hat er uns beide in seine Nähe gekriegt? Wo doch schon eine Frau zu viel für ihn ist?

Rosa: Ich hätte nicht übel Lust, der das Gesicht zu verkratzen. Ihr den Fetzen runter zu reißen, arrogantes Biest. Als hätte sie ihn sich schon geangelt. Sicher ist der impotent, wie so mancher im geliehenen Smoking, der sich hier rein schleicht und einen auf mondän macht.

Grün: Wenn die frech wird, tret' ich ihr eine in den süßen Wabbelhintern, dass sie aufjault. Ja, die möcht` ich kreischen und Hilfe schreien hören... Wenn ich nein sage zu dem Trauerkloß, wird er mir wenigsten ein Taxi zahlen? Und dann endlich ausschlafen. Reiherfeder umsonst geschwenkt.

Rosa: Der steile Hosenanzug, teuer genug, es sollte endlich ein großer Fang werden. War heute alles eine Nummer zu groß gedacht. Vielleicht hat der Wicht auch nur eine gesucht, die ihn eine Weile aushält. Eine erlauchte Gesellschaft. Und die Fotografen? Alle längst im Bett. Hoffentlich gibt's keinen grausamen Kater.