Tilmann Moser

Constantin Brancusi: Der Kuss

1907, München, Neue Pinakothek

Adam: Liebste Eva, bieg deine Nase ein wenig zur Seite, ich komm sonst gar nicht ganz an dein Gesicht heran.

Eva: Du Dummkopf, bieg du sie doch selbst mehr nach links, oder zieh sie nach innen. Du hast mich noch zu selten geküsst, und nicht stürmisch genug, sonst wüsstest du, dass man auch küssen üben muss, und kerzengrade mit dem Mund auf mich los stürmen, das geht einfach nicht. Aber ich weiß ja von deinem Drang auf mich zu, und deshalb nehm ich dir das nicht übel. Mir geht’s ja genau so, ich möchte es ja auch ganz eng, und muss mich halt an deiner langen Nase vorbei drücken nachher, Gott sei Dank haben wir keine Brillen auf. Das wäre ja noch hinderlicher, und meine wäre bald kaputt bei deiner Kusswut. Es ist mir ja recht, wenn du stürmisch bist, und ich spüre gerne deinen Klammerarm um mich herum, Nur ich komme nicht ganz herum um dich und deinen Bärenbrustkasten, mein Lieber!

Adam: Evchen, ich möchte halt in dich reinkriechen, auch mitten durch deine weiche Brust hindurch, aber auch an ihr ists schon so schön mollig und warm, und Durchdringenwollen würde dir nur wehtun, da bremse ich mich halt noch.

Eva: Adi, jetzt werde ich gleich rot. Aufgeklärt sind wir beide nicht so recht, aber du weiß doch, wie es noch enger gehen könnte. Ich schäme mich, dass ich davon schon einmal geträumt habe. Und weh tun soll es auch zuerst. Und heiraten müssten wir strengem Glauben auch zuerst.

Adam: Evi, ich höre schon lang nicht mehr auf die Pfaffen, und möchte es von dir auch nicht, hörst du. Ich wollte nie eine fromme Freundin, die man nicht mal richtig anfassen darf, und gleich wäre von Sünde die Rede, und vom Beichten. Ich habe die Sprüche noch im Ohr, von in Gedanken, Worten und Taten, allein oder mit Anderen, du bist doch Gott sei Dank meine Andere. Allein ist es doch so langweilig mit der Geschlechtlichkeit.

Eva: Adi, spürst du mich weiter unten auch schon?

Adam: Evi, du meinst am Bauch?

Eva: Nein, am Bauch wird es nur warm. Ich muss jetzt leider flüstern, mein Schatz, noch weiter unten, da wird’s heiß.

Adam: Oh je, Evi, jetzt muss ich mich ja schämen und werde sicher rot bis über die Ohren, es ist grad gut, dass es dunkel ist. Darf ich mich da unten wirklich an dich randrücken? Es wird so eng, und mir wird wundersam zumute. Und ich möchte halt immer dichter an dich heran, von oben bis unten.

Eva: Adi, da musst du aber erst ganz zärtlch sein, und überhaupt nicht grob, weil ich mich nämlich auch fürchte vor dir und was du mir antun willst. Und du musst ganz leise raufsteigen zu meiner Kammer, meine Eltern sind so hellhörig, und für die war ich schon viel zu lange spazieren mit meiner Freundin. Dabei lüge ich sie gar nicht gerne an.

Adam: Jetzt hast du halt diesmal für mich gelogen. Da ist es fast keine Sünde.

Eva: Und von der Tür ab, die leider ein bisschen knarrt, bitte nur noch flüstern im Stiegenhaus, versprochen?

Adam: Versprochen! Ich zieh ja schon gleich die Schuhe aus und schleich mich leise hoch! Dann sind wir endlich ganz zusammen!