Tilmann Moser

Simon Marmion: Hl. Hieronymus mit einem Stifter

Philadelphia Museum of Art, John G. Johnson Collection

Heiliger Vater Hieronymus, untertänigst habe ich dich wie in einem Traum auf mein Schloss eingeladen, du würdigst mich deines Besuches,hst den Löwen in deiner Klause verlassen, er durfte dir nicht folgen, und du hast deine Andacht und deine Lektüre verlassen, bis zu mir herauf und dennoch von deiner heiligen Höhe herabgestiegen. Und nun sitzen wir am offenen Fenster meines Prunksaales, den das Wappen meines Geschlechts und meiner weltlichen Macht auf dem kostbaren Fensterglas ziert. Mir ist so andächtig wie selten zumute, und ich spüre, wie deine Rechte schützend und segnend auf meiner Schulter ruht.

Ich schau mit fast ausdruckslosem Gesicht sowohl nach innen wie nach außen, habe den Raum im Blick wie den mir viel weniger vertrauten Innenraum, also meine Seele. Denn ich herrsche über große Ländereien, habe aber das Fühlen wie die Frömmigkeit und die Bildung des Herzens meiner Frau überlassen. Wie du siehst, weiß ich nicht einmal richtig meine Hände zu falten und möchte dir doch durchaus aufgeschlagene Gebetbuch, dass du mich bei der Andacht angetroffen hast. Wie heißt es in einem der Psalmen oder einem der geistlichen Gesänge, die mein Hofkaplan bei seinen Gottesdiensten anstimmt: „Nun sei meiner armen Seele gnädig, Herr ich bin ein Sünder“, oder so ähnlich, und da muss ich manchmal weg hören, denn wenn ich das zu oft höre oder gar nachspreche, wird mir ganz elend. Am liebsten würde ich ihm diesen Satz verbieten, aber ich weiß, das geht nicht, er gehört zum Ritual.

Da er meinen manchmal hochmütigen Seelenzustand ganz gut kennt, flüstere er mir vor wenigen Tagen im Beichtstuhl zu, er finde wenig echte Reue bei mir, aber wenn ich deren nicht fähig sei, so könne doch ein frommes Werk mich dem Himmel dereinst näher bringen. Und wie beiläufig erwähnt er, dass auch ich, obwohl noch durchaus lebendig, sterblich sei wie jeder Mensch, vielleicht, und das finde ich dann dreist, vielleicht noch früher als mancher wirklich fromme Mensch, der sich nicht so unvorsichtig den Genüssen des Leibes hingibt, und dann murmeln er noch etwas von Völlerei, Unkeuschheit und zorniger Hartherzigkeit gegenüber meinen Untertanen.

Lieber Hieronymus, du hast vielen die Beichte abgenommen und bist ob der vielen Sünden, die die Menschen begehen, erschrocken in die Einsamkeit geflohen, um dort Gott näher zu sein, allein mit einem Löwen, den du wohl als einziger in der Welt nicht fürchtest. Für mich ist das ein Zeichen, dass du allem Bösen widersagst und so gottesfürchtig bist, dass du auch sehr unfrommen Sündern den Weg zum Guten ebnen kannst.

Aber deine fürbittenden Gebete, das weiß ich wohl, tätigst du nicht umsonst, als allzeit rechnender und berechnender Geist weiß ich wohl, dass auch geistliche Zuwendung, soll sie wirksam werden, ihren Preis hat. Du hast von dir aus kein ausreichendes gutes Werk genannt, das ich vollbringen könnte.

Deshalb biete ich dir, der ich weiß, was in der heutigen Zeit christliche Kunst wert ist – sie gedeiht in allen Kirche, Klöstern und Palästen – zur weltlichen Zierde und Erhöhung der Porträtierten wie zum Lob Gottes oder der Madonna oder der Heiligen, gefördert von Fürsten, Äbten, Kardinälen und Päpsten und reich gewordenen Bürgern und adligen Herren. Die letzteren beiden wählen oft genug den Weg zum Heil als Stifter, wie ich es auf meinen Reisen in vielen Kirchen beobachten konnte. Und deshalb möchte ich ein Stifter werden und biete dir, verzeih mit den unfrommen Ausdruck, ein Geschäft an.

Da ich weiß, dass es dir niemals um irdische Güter ging, du auch nie selbst Preise und notwendige Vergütungen genannt für deine schützende Fürbitte hast, sie sondern sie der Weisheit und Demut der Selbsteinschätzung der Gläubigen überlässt, biete ich dir und damit Gott unserem Herrn an: Ich lassenden teuersten Maler der ganzen Provinz für ein paar Monate auf mein Schloss kommen und trage ihm auf, ein Porträt von uns beiden zu malen, in einer Szene, die uns beiden gefällt und dir und mir und Gott zu Lob und Preis dient.

Ich trete nicht im Harnisch oder im Festmantel auf – von dem soll höchstens ein Zipfel sichtbar sein über meinem Arm – sondern in einem einfach, unbestickten und nicht golddurchwirkten Gewand, das aber nicht ein härendes Bußgewand sein soll, sondern ich will eingehüllt sein in ein seidenes Gewand der Demut, das weder lastet noch schweißtreibend sein und außerdem noch juckt. Bei deinen Kamelhaargewänder, auf manchen Bildern sogar Eremitenfetzen, hat es mich immer gegraust, deshalb habe ich dich im Traum ganz anders bekleidet: im purpurnen Mantel, dessen leuchtende Innenseite samt wärmender Fütterung sichtbar sein soll. Der Karinalshut ist dir auf den Rücken gerutscht, du trägst die Volltonsur der heiligen Gelübde, du schaust sorgenvoll, ich weiß nicht ob über mich oder über das Leid der Welt, was mir lieber wäre.

Es darf ruhig zum Ausdruck kommen, dass deine Augen zu viel Leid, Elend und Sünde gesehen haben. Du strahlst milde Barmherzigkeit aus, ohne vorwurfsvoll-strafenden Ausdruck im Gesicht, und du trägst die Trauer über mein Leben für mich, der ich wenig Zugang zu Trauer und büßender Einsicht habe.

Abgemacht? Von deine stellvertretende Gnadensammlung, die du deinem Büßerleben verdankst, schenkst du mir einen Teil, und ich schenke dir den Ruhm meines auserwählten Künstlers. Du wirst mehr Anbetung finden als du heute ahnst, weil unser Porträt an einem ausgewählten Ort zusehen sein wird. Jeder deiner Fürbitte Bedürftige wird sehen, dass dein Platz im Himmel in der Nähe des göttlichen Weltenrichters wohlverdient ist, und dass d in seiner Nähe ein Wort für ihn oder sie einlegen kannst.

Nun segne mich noch einmal und nimm meinen teuren Dank in Gnaden an. Und nimm in Zukunft nicht zu viele Flehende an, sonst nimm dein verhärmter Ausdruck noch zu. Du wirkst viel in der Welt der Gnade, aber übernimm dich nicht in deinem frommen Werk, sondern ruhe aus und freue dich an unserem Handel.