Fünfzig Psychotherapeutenfehler
Eine Fibel von Bernhard Schwartz und John V. Flowers
Ein fettes rotes Warnkreuz ziert das Titelblatt des Buches mit dem Untertitel „50 Wege, Ihre Klienten zu vergraulen“, und man staunt, was man als Psychotherapeut alles falsch machen kann. Zwei offensichtlich bedeutende amerikanische Autoren, der eine Sportpsychologie, der andere Psychologieprofessor und Spezialist der Erfolgsfoschung, beide langjährige Supervisoren in der Ausbidung von Anfänger-Psychotherapeuten, sind Mahner vor den drohenden Fehlern, die Behandlungen rasch scheitern lassen können. Im Untergrund hört man das Klappern der Manuale, die man aber doch nicht Wort für Wort umsetzen möge, weil jeder Patient seine eigene Therapie erhalten soll, und weil es auf die Persönlichkeit des Therapeuten und seine integre Warmherzigkeit ankommt, mehr als auf eine sklavisch befolgte eingepaukte Methode.
Man darf vermuten, dass sie ihre jungen Kollegen vor etwas so Kompliziertem wie die Psychoanalyse eher gewarnt hätten. Sie sind forschungsorientiert und süchtig nach rascher Überprüfung des Therapieerfolgs und der Selbstbeurteilung der Therapeuten in unzähligen Fragebögen und Anleitungen. Übertragung und Gegenübertragung scheinen ihnen fremd, trotzdem ist das Buch wichtig für junge Psychologen, die allerdings erst einmal die Forschungsliteratur studieren sollen, bevor sie sich an die erste Begegnung mit einem leidenden menschlichen Wesen machen. Sie werden alle möglichen Fallen aufmerksam gemacht, die es zu beachten und zu meiden gilt: falscher Eifer, vorschnelle Diagnostik, burnout-bedrohliche Überlastung, gefährliche Anbiederung und zu kalte Distanz, zu bedrängende Interventionen, falsch gestellte Hausaufgaben, ungenügendes Arbeitsbündnis, Grenzverletzungen, zu viel Ungeduld oder zu viel Langmut, zu wenig permanente Orientierung des Patienten und schematische Überprüfung der Fortschritte von Stunde zu Stunde, „Machen Sie sich mit der Vielzahl verfügbarer psychologischer Messinstrumente vertraut.“
Sarkasmus beiseite: Die Warnungen vor den bedrohlichen Fehlern sitzen. Einige dürfen auch erfahrene Therapeuten beherzigen, die sich selbst auf den Neurotizismusskalen für die eigene Behandlungsbedürftigkeit noch nicht selbst diagnostiziert haben. Von der eigenen notwendigen Selbsterfahrung ist auf keine Seite die Rede, die Adepten erscheinen als gerade auf die Menschheit losgelassenen Grünschnäbel. Die Grundorientierung ist verhaltenstherapeutisch, verbunden mit der Idealisierung von Carl Rogers und seiner „bedingungslosen“ Hingabe an den „Klienten“. Das Buch ist somit ideal geeignet für die kommende integrierte Ausbildung, die bereits mit dem Bacheler an den Universitäten beginnen kann und im Eiltempo zur Approbation führen darf.
Berhard Schwartz, John V. Flowers, Was Therapeuten falsch machen. 50 Wege, Ihre Klienten zu vergraulen. Klett-Cotta, Stuttgart 2015, 220 S., kart. 24.95 Euro.
Tilmann Moser