Mutterschaft als Herausforderung
Daniel N. Sterns und Nadia Bruschweiler-Sterns Buch
Daniel Stern hat uns das grandiose „Tagebuch eines Babys“ geschenkt, nun macht er zusammen mit seiner Frau uns, besser gesagt den realen und kommenden Müttern – den Väter gilt nur ein rührend kurzes Schlusskapitel - ein neues Geschenk mit der „Geburt einer Mutter“. Wäre das entsetzliche Nazi-Erziehungsbuch der auch nach 1945 fast jahrzehntelang neu aufgelegten Johanna Harrer „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ nicht 8 Millionen Mal zur ersten Geburt zwangsverschenkt worden und statt dessen Sterns Geniestreich, dann wären nicht viele Millionen kampf- und todessüchtiger Helden herausgekommen, sondern gutmütige Zeitgenossen, denen es nicht in den Sinn gekommen wäre, unter Hitler die Weltherrschaft zu erobern. Und wäre noch Karl Heinz Brischs neues Buch „Säuglings- und Kindesalter“ hinzu gekommen, dann wäre Deutschland die führende Nation in Sachen Frieden und Menschenrechte geworden.
Sterns jahrzehntelange Erfahrung in der Begleitung von werdenden und gerade gewordenen Müttern ist in ein Buch eingegangen, das eine Mischung von warmherziger Beratung und frühpädagogischem Lehrbuch darstellt. Welches Glück und welches Unglück möglich ist in den Monaten der Schwangerschaft und den zwei Jahren danach möglich ist, zeigt er in einer Vielzahl von Beispielen, von deren Themen nur wenige genannt sein können: Langsame Veränderung der Identität, Tauglichkeitsängste, Bangen ums Überleben und Gesundheit des Kindes, Frühgeburt, Behinderungen, Kontaktaufnahme von beiden Seiten, Entstehen und Wachstum der Bindung, Stolz und Sorgen, Erfüllung und Erschöpfung usw.
Stern denkt und fühlt sich auf unnachahmlich Weise in die Zustandsveränderung der Mütter ein, in das absolut Neue, das er nicht umsonst die „Geburt einer Mutter“nennt.
Es verändern sich nicht nur die physiologischen und hormonellen Komponenten, sondern auch der Seelenhaushalt der Mutter in einer Weise, die ihr Betragen manchen überraschten Ehemännern als irritierend, fremdartig und auch ärgerlich erscheinen lässt, wenn sie ob ihrer Hingabe an das Kind eifersüchtig werden, falls sie das Glück mit ihrer reduzierten und noch lahmenden Kompetenz nicht auf Anhieb meistens begeistert teilen können. Das erste Kind kann liebesfördernd wie auch ehegefährdend wirken, und also ist es auch ein Buch für die Männer und deren Heimsuchungen durch die Neuheiten im Alltag. Einzige Einwand des auch soziologisch denkenden psychoanalytisch orientierten Rezensenten: Es ist fast nur von gebildeten Mittelschichtsmüttern die Rede.
Daniel N. Stern/Nadia Bruschweiler-Stern, „Geburt einer Mutter, Die Erfahrung, die das Leben einer Frau für immer verändert“. Brandes und Apsel, Frankfurt 2014, 243 St., kart. Euro,
Tilmann Moser