Ein Zauberkünstler der Paartherapie
Zu Roland Kachlers Buch über seinen neuen Ansatz
Roland Kachler, mit allen therapeutischen Wassern gewaschen: Psychologischer Psychotherapeut, Theologe, Transaktionsanalytiker, Systemischer Paartherapeut, Imaginativer Traumatherapeut, Klinische Hypnose, Egostate-Therapie, da dürfte eigentlich nichts mehr schief gehen. Der eine Teil seines Buch ist Spitze: er weiß alles über die Psychologie und Biologie der Liebe, brillant zusammengefasst, eine lohnende Lektüre. Der therapeutisch-praktische Teil: fast eine Groteske. Er überzieht seine Klienten mit einem Feuerwerk von Befehlen, denen sie sich fügen müssen, und die geduldig und unter seinen Ermahnungen und Ermunterungen abgearbeitet werden sollen. Die häufig angeführten „therapeutischen Interventionen“ sind Anweisungen mit gehäuften Imperativen. Beispiele: Halten Sie, Drehen Sie, Schauen Sie, Öffnen Sie, Schließen Sie die Augen, Lassen Sie, Nehmen Sie, Beschreiben Sie, Spüren Sie, Atmen Sie, Machen Sie, Bringen Sie, Kehren Sie, Formulieren Sie, usw., so geht das über ganze Seiten. Bis das alles abgearbeitet ist, müsste es ein paar Jährchen dauern, aber der Gipfel: bei dem Tausendsassa ist es „spielend leichte Arbeit“, es geht angeblich viel flotter als bisher. Bei diesem Kommandostil müsste es auch zu Trotz und anderen Autoritätsübertragungen kommen, aber das Thema Übertragung ist erst für einen nächsten Band vorgesehen. „Zeigen sich Schwierigkeiten oder Vorbehalten im Prozess bei einem Partner, werden diese von den Paartherapeuten würdigend aufgegriffen und kurz (fett von mir, tm)bearbeitet, um dann wieder in den Tranceprozess zu gehen.“ Denn die Klienten werden regressiv in eine „Liebestrance“ versetzt, deren Erlebnisse sie dann, wieder aufgetaucht, in Worte fassen und sich, bei tiefem wechselseitigen Ins-Auge-Blicken, mitteilen, darauf sich getrennt ins Körpererleben vertiefen, um sich das wieder mitzuteilen.
Dabei werden noch die Dominanzmuster entdeckt und mitgeteilt, die „Adhäsions“-Prozesse ermittelt und ausgetauscht, usw., alles nicht unvernünftig, aber in einer Weise gegängelt, was schon beim Lesen spontanen Unmut über so viel autoritäre Anmaßung hervorruft. Die Klienten sollen anknüpfen an ihre Anfangsverliebtheit, sie wiederbeleben, sie spielend einbauen in ihre liebende Erwachsenheit, das gemeinsame Paarunbewusste entdecken und damit verschmelzen und es gleichzeitig sich immer vorformulieren. „DasPaar befindet sich also ständig in einer Paartrance und – tiefenpsychologisch ergänzt – der unbewusste kollusiven Paardynamik.“, durch „hypnosystemisches Vorgehen.“ Dazu sollen ständig heilende Paarsymbole erzeugt werden, und das Zentralwort heißt „Schwingen“, alles soll schwingen und damit neu verinnerlicht werden. Dadurch werden die Heilungsprozesse sogar verkürzt durch die „Resonanzarbeit“ mit den „Spiegelneuronen“, die offenbar immer zur Verfügung stehen und handhabbar werden. Ein Zauberkunststück für alle zukünftigen Paartherapeuten!
Roland Kachler, Die Therapie des Paar-Unbewussten. Klett-Cotta, Stuttgart 2015, 256 S., hartkart., 29.95 Euro.
Tilmann Moser